AUFRUF Demonstration 24.04.2021 und Mahnwache an der LEA 14.04.2021

Für eine Abkehr von Massenunterkünften – in Freiburg und überall!

+++ Kommt mit medizinischem Mund- und Nasenschutz und haltet Abstand! +++

Demonstration Samstag, 24. April 2021 – 14 Uhr – Platz der alten Synagoge, Freiburg
KEINE LAGER – KEINE LEA

Seit langem gibt es Kritik an der Landeserstaufnahmeeirichtung (LEA) in der Lörracherstraße in Freiburg. Die Einrichtung ist für 800 Personen vorgesehen. Schnelle Asylverfahren, Abschiebungen aus der Einrichtung, Grundrechtseingriffe und ein isoliertes Leben für die Untergebrachten ist Alltag. Die Pandemie verdeutlicht die untragbaren Zustände. Im Rahmen einer Evaluation sollte am 29. April im Migrationsausschuss des Gemeinderates über die LEA beraten werden. Aufgrund der Klage mehrerer Bewohner beim Verwaltungsgerichtshof gegen die grundrechtswidrige Hausordnung wurde dieser Termin nun verschoben. Die Diskussion über die LEA ist allerdings schon lange überfällig. Wir werden nicht auf diesen Termin warten, sondern JETZT auf die Straße gehen. Wir fordern vom Gemeinderat ein klares politisches Zeichen: NEIN zur LEA, JA zu selbstbestimmtem Wohnen! Mehr

Schluss mit den Abschiebungen von Rom*nja!

Anlässlich des Internationalen Romatags am 8. April weisen wir auf die aktuelle, verzweifelte Situation aus Baden-Württemberg abgeschobener Rom*nja hin.
Der 62-jährige Sali Krasniqi ist im März im Kosovo gestorben, fünf Monate nachdem er zusammen mit seiner Frau nach 28 Jahren aus dem Kreis Biberach abgeschoben worden war – trotz schwerer und den Behörden bekannter Erkrankungen, und obwohl die gesamte Familie in Oberschwaben lebt und verwurzelt ist. Im Kosovo waren die beiden zunächst in einer Sammelunterkunft als Risikopatienten der Gefahr einer Ansteckung mit Covid-19 ausgesetzt. Sie verließen daher die Unterkunft und waren erst einmal wohnungslos. Bitten und Proteste von Familie und Freunden, die beiden zurückkehren zu lassen, ließen die Behörden kalt, jetzt ist es für Sali Krasniqi zu spät. Sehr wahrscheinlich wäre Herr Krasniqi in Deutschland jetzt noch am Leben. Seine Frau Mire G., ebenfalls krank, blieb allein zurück.

Die Schwestern Gylten und Gylije Tahiri, zwei junge Frauen aus Tuttlingen, wurden 2019, nach 20 Jahren in Deutschland, nach Serbien abgeschoben, ein Land, das sie nicht kannten und dessen Sprache sie nicht sprachen. Als Kleinkinder waren sie mit ihren Eltern aus dem Kosovo geflüchtet, einen serbischen Pass besaßen sie nie. Das war den deutschen Behörden offenbar egal. Doch ohne Papiere sind sie in Irregularität gezwungen. So konnten sie keinen Wohnsitz anmelden und dadurch wiederum weder offiziell arbeiten noch Sozialleistungen noch eine Krankenversicherung erhalten. Sie lebten anfangs auf der Straße und derzeit in einem Kellerraum. Um wenigstens etwas Geld zu verdienen, mussten sie bereits eigene Kleider auf dem Flohmarkt zu verkaufen. Auch der ersehnte Besuch bei den Eltern in Deutschland scheitert noch immer an den fehlenden Dokumenten.

Sadbera Ametovic war mit ihrem Partner und ihren sechs kleinen Kindern aus einem Elendsviertel im serbischen Nis nach Freiburg geflohen. Die Kinder waren aufgrund der Armut und unzureichenden medizinischen Versorgung unterernährt und hatten teils schwere Krankheiten durchgemacht, eines hat eine geistige Behinderung. In Freiburg erholten sie sich und blühten auf – doch Anfang 2015 wurde die Familie trotz einer Petition abgeschoben. Die inzwischen weitgehend alleinerziehende Frau Ametovic und ihre Kinder sind in Serbien seither wieder ohne ausreichende Unterstützung dem Elend ausgeliefert. Es hat sich herausgestellt, dass selbst kurzfristige materielle Hilfen die strukturelle Armut und Ausgrenzung einer solchen Romafamilie nicht ungeschehen machen können. Der Gesundheitszustand der jungen Frau und ihrer Kinder  ist weiterhin besorgniserregend. Zuletzt erreichte uns die Nachricht, dass der älteste Sohn in der Klinik liegt, da er am Herz erkrankt ist. Bei der Abschiebung im Grundschulalter, hatte er diesen Umbruch besonders bewusst erlitten.

Dies sind nur drei Beispiele von vielen dafür, wie Abschiebungen von Roma wirken, kurzfristig und auch Jahre danach. Sie erfolgen oft, ohne dass krankheitsbedingte Abschiebehindernisse angemessen geprüft worden wären, wie in den letzten Jahren u. a. bei der Abschiebung eines Leukämiepatienten aus Freiburg und eines älteren Mannes mit Gehirntumor aus Rottweil. Im „Asylpaket II“ wurden noch höhere formale Hürden für die Anerkennung von Attesten geschaffen, die unrechtmäßige Abschiebungen befördern: Es ist zu beobachten, dass dabei viele schwer-und schwerstkranke Menschen, die aber nicht in der Lage sind, ein „formgültiges“ Attest vorzulegen, im Asylverfahren unterliegen, vor Gericht ziehen müssen und dort vielfach doch noch Recht bekommen. Auch auf die Verwurzelung in Deutschland wird keine Rücksicht genommen, wenn Menschen nach 20 bzw. 28 Jahren aus ihren hier lebenden Familien gerissen und abgeschoben werden. Auch dies ist auch Folge der Asylrechtsverschärfungen der letzten sechs Jahre, die trotz der entschiedenen Kritik von Fachverbänden durchgepeitscht wurden.

Unter Rot-Grün und Schwarz-Grün fanden von Baden-Württemberg aus regelmäßig Sammelabschiebeungen in die Westbalkanstaaten statt, von denen viele Angehörige der Roma-Minderheiten betroffen sind. In der Coronapandemie gezwungenermaßen etwas verringert, gehen diese  Charterflüge dennoch auch in dieser Notlage weiter. Mit der erneuten Bildung einer schwarz-grünen Koalition in Baden-Württemberg ist keine Änderung dieser Praxis zu erwarten, die Gesundheit und Leben von Rom*nja aufs Spiel setzt, die hier Schutz vor Diskriminierung und Verfolgung suchen. Solange die Abschiebungen weitergehen, sind warme Worte von Landespolitiker*innen zum 8. April scheinheilig. Wir fordern eine Kehrtwende und die Achtung der Menschenrechte. Rom heißt Mensch!
Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung, 07.04.2021

Biberacher Abschiebung endet tödlich

Wir trauern um Sali Krasniqi, der fünf Monate nach seiner Abschiebung
aus dem Landkreis Biberach, heute morgen im Kosovo gestorben ist.

Pressemitteilung 12.03.2021 | In der Nacht vom 11. auf den 12. März ist Sali Krasniqi gestorben. Er war am 12. Oktober aus dem Kreis Biberach, gemeinsam mit seiner Frau Mire G. in den Kosovo abgeschoben worden. Zuvor hatte das Paar fast 29 Jahre in Deutschland gelebt. Die  esamte Familie lebt in Deutschland:
Sechs Kinder, 17 Enkel, ein Urenkel und die Mutter von Mire G. Sali Krasniqi wurde 62 Jahre alt. Er war drei mal am Herz operiert worden und war auf regelmäßige medizinische Betreuung angewiesen. Den Behörden, der Ausländerbehörde Biberach, den Regierungspräsidien Tübingen  und Karlsruhe, war der Gesundheitszustand bekannt. Trotzdem wurde das Paar abgeschoben, obwohl es viele gute Gründe für die Erteilung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts gegeben hätte. Nach der Abschiebung hatte sich der Gesundheitszustand von Sali Krasniqi massiv  verschlechtert.

Gegen die Abschiebung wurde im Dezember 2020 beim Regierungspräsidium Karlsruhe ein Antrag auf sofortige Rückholung gestellt. Das RP reagierte zunächst nicht, das Innenministerium von Baden-Württemberg verteidigte das Vorgehen. Eine Klage gegen die Abschiebungen läuft  erzeit noch beim zuständigen Verwaltungsgericht. In einer Onlinepetition forderten knapp 40.000 Menschen die sofortige Rückholung des Ehepaars.

Ohne die Abschiebung, das lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, wäre Sali Krasniqi noch am Leben. Eine adäquate medizinische Behandlung war im Kosovo nicht möglich. Sali Krasniqi starb getrennt vom Großteil seiner Angehörigen. Dieser tragische Tod von Sali Krasniqi muss Konsequenzen haben. Die Grün-Schwarze Landesregierung trägt eine Mitschuld an seinem Tod. Als erste Maßnahme muss Mire G. umgehend die Wiedereinreise nach Deutschland ermöglicht werden. Die Abschiebung war auch rechtlich höchst fragwürdig. Die gesundheitliche Situation war nicht ausreichend berücksichtigt worden, auch die Verwurzelung und die Schwierigkeiten der Passbeschaffung waren ignoriert worden. Auch wenn es nichts wieder gut machen kann, braucht es eine Entschuldigung der Landesregierung bei der Familie.

Die neue Landesregierung muss ihre Abschiebepolitik nun endlich stoppen. Gerade von den Sammelabschiebungen in den Balkan sind immer wieder, schwer erkrankte Menschen betroffen. Solche tragischen Todesfälle dürfen sich nicht wiederholen. Es herrscht kein Abschiebedefizit, es herrscht ein Defizit an Menschlichkeit. Die baden-württembergischen Behörden müssen zukünftig proaktiv prüfen, ob Krankheiten vorliegen, die in den Abschiebeländern nicht adäquat behandelt werden können und diese Abschiebungen umgehend stoppen.

Ein erster Schritt wäre, eine Regelung, die allen Personen, die schon lange Teil der hiesigen Gesellschaft sind, endlich eine sichere Aufenthaltsperspektive zu bieten.

Humanität muss endlich Vorrang haben!
Abschiebungen stoppen.

Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg

12.03.2021

Abschiebung aus Biberach rechtswidrig!?

Antrag für eine sofortige Wiedereinreise eingegeben!

Pressemitteilung: Abschiebung aus dem Landkreis Biberach in den Kosovo nach einem 29 jahrelangen Aufenthalt war wohl rechtswidrig.

Gegen die Abschiebung am 12. Oktober 2020 eines älteren Ehepaars aus dem Landkreis Biberach wurde beim Regierungspräsidium Karlsruhe einen Antrag für eine sofortige Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland eingereicht. Die Abschiebung in den Kosovo war wohl auch schon deshalb rechtswidrig, da beide nachweislich die serbische Staatsangehörigkeit besitzen und dies seit 2012 aktenkundig ist. Die Staatsangehörigkeit wurde im September 2020 vom serbischen Generalkonsulat bestätigt. Weiterhin ist zu vermuten, dass auch gegen das kosovarische Staatsangehörigkeitsrecht verstoßen wurde, da sie am 1. Januar 1998 nicht den ständigen Wohnsitz im Kosovo hatten, sondern sich bereits 6 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland befanden. Der Kosovo hätte dieser Abschiebung zu keinem Zeitpunkt zustimmen dürfen.

Weiterhin haben die Behörden die langjährige Krankheit des Mannes, der auf eine tägliche Medikation, regelmäßige Kontrolle und ambulante Behandlung angewiesen ist, offensichtlich ausgeblendet. Die Behörden haben sich lediglich daran orientiert, ob das vorliegende aktuelle ärztliche Attest gerichtsfesten Vorgaben entspricht. Das ist unzulässig. Obwohl selbst das Landratsamt Biberach, wie auch das Regierungspräsidium Tübingen von der Erkrankung wussten und von einer eigenen Sicherung des Lebensunterhalts auf Grund seiner Erkrankung abgesehen haben, wurde die Abschiebung vollzogen. Tatsächlich ist es aber Pflicht der Ausländerbehörde, vor einer Abschiebung nochmals eine umfassende ärztliche Prüfung zu veranlassen. Der Ausländerbehörde war die Erkrankung bekannt und war schon dadurch verpflichtet, den Anhaltspunkten für eine ernsthafte Erkrankung nachzugehen. Die Erkrankung eines Menschen löst für den Staat konkrete Schutzpflichten aus, unabhängig vom Aufenthaltsstatus der erkrankten Person.

Die 62 und 64 Jahre alten Eheleute wurden entgegen allen Vorgaben des RKI während der Corona-Pandemie in katastrophale Lebensverhältnisse in den Kosovo abgeschoben. Im Kosovo gab und gibt es keine entsprechende medizinische Anschlussversorgung. Es findet keine regelmäßige Medikation und keine regelmäßige ärztliche Untersuchung statt. Medizinische Leistungen und Medikamente müssen privat bezahlt werden. Die Stadt Peja, in der sie zurzeit eine fragwürdige Bleibe haben – durch das Dach regnet es herein – hat jüngst erklärt, dass sie keine Ansprüche auf Leistungen haben. Mit Blick auf die Erkrankung beider Personen ist die Abschiebung insbesondere auch während der Corona Pandemie, grob fahrlässig.

Weiterhin wurde die Verwurzelung der beiden nach fast 29 Jahren im Landkreis Biberach, die nach Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention gegeben ist, nicht gewürdigt.

1992 sind beide mit ihren vier Kinder  in die Bundesrepublik geflüchtet. Ihre Kinder haben fast alle eine Niederlassungserlaubnis oder die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie sind alle in Beruf und Arbeit.

Aus diesen und weiteren Gründen wurde beim Regierungspräsidium Karlsruhe ein Antrag für eine sofortige Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland eingegeben. Die Wiedereinreise muss schnellstmöglich eingeleitet und die Einreisesperre aufgehoben werden.

Wir fordern sämtliche Parteien und Personen, die in dem Verfahren Einfluss nehmen können auf, sich für eine sofortige Wiedereinreise einzusetzen.

17 Gruppen und 70 Einzelpersonen fordern einen (Winter)-Abschiebestopp!

Offener Brief an die Landesregierung.

17 Gruppen/Organisationen und 70 Einzelpersonen fordern in einem Brief an die Landesregierung Baden-Württemberg einen sofortigen (Winter)-Abschiebestopp in die Länder des Balkans. Während der Corona-Pandemie darf nicht weiter abgeschoben werden! Offener Brief. Die Unterschriften wurden in einem relativ kurzen Zeitraum gesammelt.

Die Abschiebepolitik des Innenministeriums von Baden-Württemberg muss sich sofort ändern. Die Abschiebungen in die Balkan-Staaten müssen gestoppt werden. Vor allem langjährig hier lebende, kranke und behinderte Menschen müssen umgehend eine bedingungslose Aufenthaltsmöglichkeit erhalten. Etwa ein Drittel der Abgeschobenen der letzten Jahre sind Kinder und Jugendliche. Auch fordern wir die Beachtung des Kindeswohls ein und deshalb den Verzicht auf Kinderabschiebungen.

Gruppen / Organisationen

Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung, iz3w Freiburg,Kreisverband der LINKEN Freiburg, Aktion Bleiberecht Freiburg, Anlaufstelle Pro-Roma Waldkirch, Forschungsstelle Flucht und Migration Berlin, Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit (aks Freiburg), Medinetz Freiburg, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Verein Bike Bridge e.V., Uni für Alle Freiburg e.V., Urbanes Freiburg, Seebrücke Mannheim, Initiative Schlüsselmensch Freiburg, Flüchtlingskreis Stuttgart-Feuerbach, Adelheid Gruber, Sprecherin „Freundeskreis Flüchtlingssolidarität in SI (Solidarität International), Antirassistisches Netzwerk Baden-Württemberg und 70 Einzelpersonen

Offener Brief an die Landesregierung von Baden-Württemberg – Für einen (Winter)-Abschiebestopp in die Länder des Balkans

Während der Corona-Pandemie darf nicht abgeschoben werden!

Bis zum 3. November 2020 sammeln wir Unterstützungsunterschriften. Bitte eine Mail an info(at)freiburger-forum.net senden, das reicht. Bitte angeben, ob der Name veröffentlicht werden kann.

Offener Brief | Baden-Württemberg schiebt weiterhin Menschen in die Länder des West-Balkans ab: Zuletzt wurde am 12. Oktober nach Pristina/Kosovo und am 20. Oktober nach Tirana/Albanien abgeschoben. Zwei Länder, die von der Corona-Pandemie aktuell besonders betroffen sind. Das Auswärtige Amt hat für beide Länder eine Reisewarnung ausgesprochen. Engpässe in der medizinischen Versorgung und Ausrüstung gehören in beiden Ländern zur Normalität. Zur Lage im Kosovo erklärt das Amt u.a: „Es bestehen nur sehr geringe Kapazitäten für intensivmedizinische Behandlungen.“ Im Kosovo besteht eine nächtliche Ausgangssperre. Personen über 65 Jahren und chronisch Kranke dürfen ihre Wohnung nur morgens zwischen 5 und 10 Uhr und abends zwischen 18 und 21 Uhr verlassen. Auch Albanien ist laut Robert-Koch-Institut und Auswärtigem Amt Risikogebiet. Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen nach Albanien. Griechenland hat die Grenze zu Albanien wegen der Pandemie geschlossen.

Polizeilich abgeschoben werden auch Roma und Ashkali, die in ihrem alltäglichen Leben einer strukturellen Diskriminierung auf dem Balkan ausgesetzt sind. Das hat zuletzt der Europarat im Dezember 2019 für Serbien festgestellt. Aktuell fordern EU-Abgeordnete2 Maßnahmen gegen strukturelle Diskriminierungen von Roma. Prekäre oder gänzliche fehlende Arbeitsverhältnisse, mangelnde soziale Absicherung und schlechte Wohnverhältnisse, die das Einhalten von Hygieneregeln unmöglich machen, prägen das Leben vieler Minderheitsangehöriger. Ebenso die Gefahr von Übergriffen aus der Mehrheitsbevölkerung beziehungsweise seitens der Polizei.

Im Oktober 2020 wurde ein älteres Ehepaar, 66 und 64 Jahre alt, aus dem Landkreis Biberach in den Kosovo abgeschoben. Beide lebten fast 29 Jahre mit einer Duldung in Deutschland. Beide sind krank und Corona stellt für sie ein hohes Risiko dar. Sie gehören der Minderheit der Ashkali an. Morgens um 7 Uhr wurden sie von der Polizei abgeholt. Ihre erwachsenen Kinder wussten lange Zeit nicht, wo sich ihre Eltern aufhalten. Auch die im September 2019 abgeschobenen Tahiri-Schwestern, die 20 Jahre mit einer Duldung im Landkreis Tuttlingen lebten und nach Serbien abgeschoben wurden, haben trotz Hilfe von Caritas Serbien noch immer keine serbischen Identitätspapiere, d.h. sie leben bis heute rechtlos und ohne Zugang zur Gesellschaft in Serbien. Sie sind besonders von der aktuellen Corona-Pandemie betroffen.

Die Abschiebepolitik des Innenministeriums von Baden-Württemberg muss sich sofort ändern. Die Abschiebungen in die Balkan-Staaten müssen gestoppt werden. Vor allem langjährig hier lebende, kranke und behinderte Menschen müssen umgehend eine bedingungslose Aufenthaltsmöglichkeit erhalten. Etwa ein Drittel der Abgeschobenen der letzten Jahre sind Kinder und Jugendliche. Auch fordern wir die Beachtung des Kindeswohls ein und deshalb den Verzicht auf Kinderabschiebungen.

Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung

Treffen/Einstiegsmöglichkeit – Freiburger Forum – 14. Oktober 2020, 20 Uhr

Nach langer Pause trifft sich das Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung am Mittwoch den 14. Oktober 2020 ab 20 Uhr, Adlerstr. 12 (Gretherinnenhof) im rasthaus in Freiburg. Eine Möglichkeit beim Freiburger Forum einzusteigen. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Achtet bitte auf Mund-/ Nasenbedeckung und Abstand

Sammelabschiebungen während der Corona-Pandemie. Mehr

Keine Haftlager für Geflüchtete – Flucht ist kein Verbrechen!

DEMO 3. Oktober 2020 in Freiburg, 15 Uhr: Kein Grund zum Feiern! – Menschenrechte zuerst!

Flyer | Mit Grenzsicherung und Migrationskontrolle sollen nach und nach die Wahrung menschen- und flüchtlingsrechtlicher Verpflichtung in der EU ausgehebelt werden. Die Flüchtlingslager auf Lesbos und Samos sollen als Blaupause für weitere Flüchtlingslager in Malta, Zypern, Italien und Spanien gelten.

Am 23. Oktober 2020 hat die EU-Kommission unter dem Vorsitz Deutschlands ihre Pläne für einen neuen Asyl- und Migrationspakt in der EU bekannt gegeben. Das Ziel: Geflüchtete schon an den EU-Außengrenzen zu registrieren, selektieren und den Großteil möglichst schnell abzuschieben.

Der Pakt umfasst drei wesentliche Punkte:  Erstens: Abkommen mit Herkunfts- und Transitstaaten, um unerlaubte Einreisen in die EU zu verhindern.  Zweitens: „robuster Außengrenzenschutz“ inklusive einer hoch aufgerüsteten Küstenwache, (Haft-)Lagern und massiver Abschiebung schon an den Außengrenzen. Dem Pakt zufolge sollen Flüchtlinge, die aus Staaten mit geringer Asylanerkennungsquote (weniger als 20 %) kommen, in Lagern interniert werden. Vorbild ist Ungarn. Auf Samos wird bereits ein Lager gebaut. Drittens: Mit einem „Sponsorship“-Programm („Abschiebepatenschaften“ und Abschiebekoordinator) sollen Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, sich an Abschiebungen beteiligen. Innerhalb Europas wird es zu vermehrter Abschiebehaft kommen.

Gegen diese zunehmende Abschottung Europas und die zutiefst rassistische und auf Verwertungslogik basierende Asylpolitik gehen wir auf die Straße!

Dieser Aufruf richtet sich an all jene, die Rechtspopulismus und Rassismus nicht akzeptieren und diesem auch entschlossen entgegen treten. Und die am „Tag der  deutschen Einheit“ kein patriotischer Freudenschauer, sondern Unbehagen und Grauen befällt.

Angesichts der immer repressiver werdenden Asylpolitik und einer baden-württembergischen GRÜN-CDU geführten Landesregierung, deren Positionierung in Asylfragen oft nicht von derjenigen der AfD zu unterscheiden ist, brauchen wir eine parteiunabhängige antirassistische Bewegung hier, in Europa und weltweit, die nicht bloß demonstriert und die hohlen, hilflosen Phrasen von „Humanität“ und “Verantwortung“ beschwört, sondern sich von realpolitischen Illusionen befreit, aktiv eingreift und direkte Solidarität mit den betroffenen Menschen zeigt. Und wir brauchen diese Bewegung nicht nur in der Flüchtlingsfrage. Deshalb braucht es Querverbindungen zu klimagerechten, polizeikritischen, sozialen, feministischen und queeren Bewegungen.

Keine Haftlager für Geflüchtete – Flucht ist kein Verbrechen!

Solidarity City Newsletter Nr.1 – Thema Gesundheit

Die Initiative Solidarity City möchte während der Corona-Pandemie das Vorhaben, zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen unter einem gemeinsamen Dach zu versammeln, weiter voranbringen. Deshalb möchten wir in unregelmäßigen Abständen themenbezogene Solidarity-City-Newsletters herausgeben. Dafür brauchen wir eure Unterstützung und euer Wissen. Mit dem Newsletter möchten wir Ungerechtigkeiten politisieren, Raum für kooperative Verbindungen schaffen, Ziele formulieren und einen Veränderungsdruck auf kommunaler Ebene aufbauen. Vor allem aber möchten wir auch Grundlagen für die nächste Solidarity-City-Konferenz schaffen.

Wir dachten an Themen wie Gesundheit, Wohnen, Arbeit, Armut, Pflege, Bildung, Flucht, Migration, Kultur, Umwelt- und Klimaschutz, Polizei und Überwachung, Rüstung und weitere Themen. Wir wollen in den Newslettern die einzelnen Themen anreißen, auf Links verweisen und aktive Gruppen in Freiburg vorstellen. Mehr

Das Corona-Virus verdeutlicht das Scheitern der baden-württembergischen Aufnahmepolitik in Massenlagern

Schreiben an Gruppen, die den offenen Brief an das Regierungspräsidium und die Stadt Freiburg mitgetragen haben.

Das Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung hat im April 2020 einen Offenen Brief an das Regierungspräsidium Freiburg und an die Stadt Freiburg geschickt. Wir wollten mehr über die Unterbringung von Geflüchteten in Freiburg während der Corona-Pandemie wissen. Der Offene Brief wurde von mehr als 100 Einzelpersonen und etwa 30 Gruppen mitgetragen. Dafür möchten wir uns bei allen bedanken. Der Brief und das Anschreiben haben wir auf unserer Homepage veröffentlicht.

Zwischenzeitlich liegen uns Antworten vom Regierungspräsidium Freiburg, wie auch von der Stadt Freiburg vor. Darüber und über Weiteres mehr, möchten informieren.

Das Aufnahmesystem in Erstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg

Das Regierungspräsidium Freiburg betreibt die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Freiburg, die bis zu einer Kapazität von 800 Personen (und mehr) ausgebaut werden soll. In Ellwangen, Sigmaringen und Karlsruhe befinden sich weitere Aufnahmeeinrichtungen, die wiederum auch Außenstellen in Tübingen, Giengen, Mannheim und neuerdings auch in Eggenstein-Leopoldshafen betreiben. In Althütte-Sechselberg wurde ein Isolierzentrum für an COVID-19 erkrankte Menschen für 60 Personen aus Aufnahmeeinrichtungen eingerichtet. Eine weitere Notunterkunft wurde in Bad Liebenzell vom Regierungspräsidium Karlsruhe angemietet.1 Mittlerweile sind auch Pläne bekannt geworden, wonach das System der Aufnahmeeinrichtungen in Karlsruhe ausgebaut werden soll. So soll in Karlsruhe eine weitere LEA gebaut werden.2 Über 2.600 Menschen werden dann allein unter minimalistischen Lebensbedingungen in Karlsruhe untergebracht.

Durch die letzte Gesetzgebung müssen/sollen Geflüchtete bis zu 18 Monate in den Einrichtungen leben. Anhand der langen Aufenthaltsdauer wird dadurch das dreigliedrige Aufnahmesystem (Erstaufnahme, Anschlussunterbringung, Wohnung) für einen nicht unerheblichen Teil von Geflüchteten ausgehebelt. Die lange Aufenthaltsdauer kommt dem Rechnungshof von Baden-Württemberg entgegen, der auch die Position vertritt, dass Großlager unter 1.000 Personen wirtschaftlich nicht rentabel seien. Komplett abgeschottet, zwischen Autobahnkreuz und landwirtschaftlich genutzter Fläche, soll nun in Heidelberg-Wolfsgärten3 ein neues ‚Ankunftszentrum‘ für Baden-Württemberg gebaut werden.

Maßnahmen des Regierungspräsidiums Freiburg gegen die Corona-Pandemie

Das zuständige Referat des Regierungspräsidium (RP) Freiburg teilt dem Forum am 21.04.2020 per Mail mit, dass „die Sozialdienste“ in der Landeserstaufnahmeeinrichtung aktuell nicht ausfallen. Eine Unabhängige Verfahrens- und Sozialberatung (UVSB) arbeitet weiter. Laut dem RP Freiburg werden alle Möglichkeiten ergriffen, um die Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus so gering wie möglich zu halten. Bewohner*innen können Kontakt, mit der auf dem Gelände befindlichen Krankenstation, die durch die Uniklinik gestellt und unterhalten wird, aufnehmen. Die Leistungen orientieren sich im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).

„Die LEA Verwaltung steht in engem Kontakt mit dem Gesundheitsamt.“ Bereits am Anfang der Corona-Krise wurde auf dem Gelände ein Gebäude für erkrankte Einzelpersonen eingerichtet. Zahlreiche Bewohner*innen sind bis zum 31. Mai 2020 in der Jugendherberge Freiburg untergebracht. „Von daher können die empfohlenen Mindestabstände eingehalten werden.“

Vulnerable Personen wurden aus der LEA verlegt. Die Belegungsdichte wurde bereits weiter verbessert. Laut RP werden Bewohner*innen in Entscheidungsprozesse einbezogen, soweit dies möglich ist. „Schutzausrüstung für Quarantänefälle, liegt soweit wie möglich vor, bzw. wir auf mehreren Kanälen versucht, weitere Schutzausrüstung zu erwerben.“

„Polizeieinsätze erfolgen nach den allgemeinen Regeln wie auch für die übrigen Teile des Landes.“ Betont wird in dem Schreiben, dass das RP als Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden ist. Personen aus der LEA Freiburg sollen nicht in das Isolierzentrum Althütte-Sechselberg gebracht werden. Über etwaige Ausgangs- und Kontaktverbote für Bewohner*innen der LEA Freiburg entscheidet die Stadt Freiburg auf Grundlage der Empfehlungen des zuständigen Gesundheitsamtes.

Gespräch mit dem Amt für Migration und Integration (AMI)

Vom AMI bekamen wir folgende Informationen. In Freiburg leben noch etwa 2.000 Personen in 16 kommunalen Sammeleinrichtungen. Einige, vor allem Roma und Personen aus afrikanischen Ländern, leben schon Jahre in den Unterkünften. Die Mehrheit der Bewohner*innen ist 2015/2016 nach Freiburg gekommen. Die Bedingungen in den Einrichtungen sind sehr unterschiedlich. Das AMI hat bereits Anfang März 2020 eine Task-Force eingerichtet und stimmt mit den einzelnen sozialen Trägern der Unterkünfte Maßnahmen, die wegen der Corona-Pandemie getroffen werden müssen, in direktem Kontakt ab. Dazu finden wöchentlich Videokonferenzen statt.

In den kommunalen Sammelunterkünften leben 91 Personen, die einer Risikogruppe angehören. 41 von Ihnen leben innerhalb der Einrichtungen in abgeschlossenen Wohneinheiten. Für 50 Personen könnte die Sammelunterbringung zum Problem werden. Die Stadt Freiburg hat ebenfalls, wie das Regierungspräsidium Freiburg, ein Teil der Jugendherberge Freiburg angemietet. Plätze wurden vulnerablen Personen angeboten. Bis zum 9. April 2020 sind 5 Personen in die JHB eingezogen.

Seit mehreren Wochen existiert ein Besuchs- und Kontaktverbot in den Unterkünften in Freiburg. Das Verbot galt zunächst bis zum 3. Mai 2020 und wurde bis zum 31. Mai 2020 verlängert. Der Sozialdienst ist zwar noch vor Ort, der Kontakt findet jedoch per Telefon oder online statt. Dringende Angelegenheiten werden an der frischen Luft bei gebührendem Abstand besprochen. Die Stadt hat Einkaufs-Angebote für die Bewohner*innen eingerichtet. Für den Fall einer Erkrankung werden Wohneinheiten isoliert. Medizinisch wurden verschiedene Vorbereitungen getroffen. Die Verwaltung rechnet damit, dass Erkrankungen in den Sammelunterkünften möglich sind.

Eine Einschätzung zur Landeserstaufnahmeeinrichtung

Zum Gesundheitsaspekt in Sammelunterkünften. Das Corona-Virus existiert weiter. Aktuell verbreitet sich das Virus langsamen. Laut Virologen besteht in Innenräumen eine erhöhte Ansteckungsgefahr. Im Herbst und Winter ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Solange kein Impfstoff gegen das Corona-Virus gibt, wird eine Unterbringung in einer Massenunterkunft zum Gesundheitsrisiko. In etwa einem Jahr wird es voraussichtlich einen Impfstoff geben.

Eine Unterbringung in Sammelunterkünften ist mit einer Großveranstaltung zu vergleichen, in der eine Ansteckung mit COVID-19 besonders gegeben ist. Das Innenministerium von Baden-Württemberg bezeichnet die „Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen dienenden Strukturen zur kritischen Infrastruktur des Landes“.4 In der Landeserstaufnahmeeinrichtung Ellwangen haben sich 406 Bewohner*innen mit dem Corona-Virus infiziert5. Aus zahlreichen Sammellagern bundesweit werden erhöhte Infektionszahlen gemeldet. In Schweinfurt (Geldersheim) ist ein 60 jähriger in einem Anker-Zentrum gestorben6. Obwohl er der Risikogruppe angehörte, konnte er das dortige Anker-Zentrum nicht verlassen. Am Sonntag den 26.04.2020 verstarb ein 35 jähriger Geflüchteter im Münchener Klinikum, der zuvor in einer Sammelunterkunft untergebracht war.7

Der Verdacht einer ‚Durchseuchungspolitik‘ in manchen Massenlagern drängt sich auf. Das trägt zur weiteren Stigmatisierung der Geflüchteten und Gerüchten bei.8 Ein-, Ausgangs- und Besuchsverbote, Quarantäne in Sammellagern, Tag und Nacht Bewachung durch die Polizei erinnern an Berichte aus der Slowakei, Rumänien und Bulgarien, wo die Polizei ganze Roma-Siedlungen abgeriegelt hat.

Sammellager sind Orte der Ansteckung. Nicht nur bei COVID-19. Das Landesgesundheitsamt von Baden-Württemberg zählt weitere Krankheiten auf: Masern, Windpocken, Influenza, Krätzmilben, Kopfläuse, Tuberkulose, Meningokokken etc. „Fehlende Impfungen und beengte Verhältnisse, wie in Aufnahmestellen, können dieses Risiko erhöhen. Dauer und der Art der Kontakte bestimmen ganz wesentlich die Möglichkeiten für eine Ansteckung.“9 Das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg sieht eine „Quarantäne aller Bewohner“ einer LEA als Sonderfall. Es empfiehlt in einem Schreiben vom 15.04.2020 an die Regierungspräsidien keine Verhängung einer Quarantäne, da sich diese bei immer wieder neuen Infizierten über über Monate erstrecken kann. „In diesem Fall muss theoretisch eine Einrichtung für mehrere Monate geschlossen bleiben.“10

Der Rechnungshof Baden-Württemberg schreibt in einer Denkschrift 2017: Aus betrieblich-organisatorischen Gründen sollte angestrebt werden, dass die Landeserstaufnahmeeinrichtungen eine Regelkapazität von 1.000 Plätzen nicht unterschreiten.“11 Unter dem Thema „Wirtschaftlichkeit von Erstaufnahmeeinrichtungen“ stellt die Landesregierung von Baden-Württemberg fest, dass durch die Neugestaltung der Aufnahme von Flüchtlingen ein degressiver Abbau von Unterbringungskapazitäten in den Kommunen stattfindet. An allen vier Standorten (Freiburg, Karlsruhe, Ellwangen, Sigmaringen mit Außenstellen) stehe eine Maximalkapazität von bis zu 1.000 Plätzen zur Verfügung.“12 Damit wird ein großer Teil von Geflüchteten von dem dreigliedrigen Aufnahmesystem in Baden-Württemberg ausgeschlossen und verbringen die gesamte Zeit während des Asylverfahrens in einem der Großlager. Dazu will die Landesregierung am 30. Juni 2020 nochmals einen Bericht vorlegen.

Das Konzept der baden-württembergischen Aufnahmepolitik, die in dem Aufnahmezentrum und den Landeserstaufnahmeeinrichtungen umgesetzt wird, ist nach Auffassung des Freiburger Forums aktiv gegen Ausgrenzung, am Corona-Virus und an der Infragestellung von Grund- und Menschenrechten gescheitert.

Die Einrichtung der Ankunftszentren und Erstaufnahmeeinrichtungen war der politische Kompromiss zu den von der CSU 2016 vorgeschlagenen Transitzonen, die direkt an den Grenzen entstehen sollten. In diesen Einrichtungen, die die Erfahrungen der ‚Bezirksstellen für Asyl‘ der 90er Jahre aufgreifen, werden die Abläufe des Asylverfahrens für bestimmte Flüchtlingsgruppen auf 24 bis 48 Stunden verkürzt. Auf der Strecke bleiben Verfahrens– und Aufenthaltsrechte für die Betroffenen und ein eingeschränkter rechtlicher Zugang zum Verfahren. Von zahlreichen Verbänden, Anwälten, Menschenrechtsorganisationen etc. wurden die Umsetzung dieser Einrichtungen kritisiert. Weiterhin ist mittlerweile genau das eingetreten, was viele befürchtet haben. Betroffene müssen 18 Monate und mehr in einer Erstaufnahmeeinrichtung unter fragilen, prekären, kontrollierten und fremdbestimmten Bedingungen leben.

Ergänzende Informationen

Wie das Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung erfahren hat, wurden am 28. April von der Außenstelle der Landeserstaufnahmeeinrichtung Ellwangen in Giengen alle Infizierten in andere Einrichtungen verlegt. 20 Geflüchtete wurden in den Quarantänebereich in die LEA Freiburg gebracht.

Eine Einschätzung zur kommunalen Sammelunterkünften

Die Stadt Freiburg betreibt seit den 80er Jahren Sammelunterkünfte für Geflüchtete. Hintergrund für die Einrichtung der Sammelunterkünfte bildete eine spezielle baden-württembergische Aufnahmepolitik in Sammellagern und die Asylgesetzgebung seit 1982, mit der Verabschiedung des Asylverfahrensgesetz (heute Asylgesetze). Die ältesten Sammelunterkünfte in Freiburg befinden sich in der Bissierstraße, Hermann-Mitsch-Straße und in der Hammerschmiedstraße.

Nach aktuellen Informationen, geht das Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung davon aus, dass die Stadt Freiburg auf kommunaler Ebene zahlreiche Möglichkeiten ergriffen hat um eine Ausbreitung des Coronavirus in den Sammelunterkünften zu verhindern. Sorgen machen etwa 50 Personen, die einer Risikogruppe angehören und in Sammelunterkünften leben.

Zum 08.05.2020 waren in der Stadt Freiburg 967 Personen mit dem CoronaVirus infiziert, davon sind 76 Personen im Alter zwischen 55 und 98 Jahren gestorben. Glücklicherweise ist nach unseren Kenntnissen bislang noch niemand am Corona-Virus in kommunalen Unterkünften erkrankt. Bei der Stadt Freiburg rechnet man jedoch früher oder später mit einer Corona-Infizierung von Personen in Sammelunterkünften.

Wer in Freiburg in einer kommunalen Sammelunterkunft lebt, unterliegt den Regeln der Hausordnung. Die Hausordnung der Sammelunterkünfte engt das Leben der Menschen ein. Eine Übernachtung eines Besuchs ist in der Regel nicht erlaubt. Nach 22 Uhr müssen Personen, die nicht in einer Sammelunterkunft leben, die Einrichtung verlassen. Viele leben beengt in Mehrbettzimmern und benutzen eine Gemeinschaftsküche. Einige leben schon jahrelang mit einer Duldung in beschriebenen prekären Aufenthaltsverhältnissen. Vor allem sind Roma aus dem Balkan davon betroffen. Vor jeder Sammelunterkunft stehen Sicherheitsleute. Durch die Unterbringung in Sammelunterkünfte fühlen sich viele ins Abseits abgeschoben. Auch die hohen Wohnheimgebühren, die bezahlt werden müssen, wenn jemand einer Arbeit nachgeht, stoßen auf Unverständnis und Kritik.

Nach Auffassung des Freiburger Forums aktiv gegen Ausgrenzung braucht es in der Stadt Freiburg, d.h. auch innerhalb der Verwaltung und des Gemeinderates, einen selbstkritischen Rückblick zu fast 40 Jahren Sammelunterkünfte in der Stadt Freiburg.

  • Was hat man daraus gelernt, wo hat die Stadt falsch gehandelt, was war richtig, was hätte in kommunaler Eigenverantwortung, trotz Weisungsgebundenheit besser gemacht werden können?
  • Wo bestehen für die Stadt Spielräume. Was bedeutet die politische Zustimmung von Verwaltung und Gemeinderat zur Errichtung einer Landeserstaufnahmeeinrichtung und die Folgen für Freiburg?
  • Die Stadt Freiburg hat sich von der kommunalen Aufnahme von Geflüchteten durch die Einrichtung des Landeserstaufnahmeeinrichtung befreit.
  • Inwiefern, will die Stadt in Zukunft flüchtlingspolitische Verantwortung übernehmen?

Um einem Asylrecht gerecht zu werden, braucht es dezentrale kleine Aufnahmeeinrichtungen in Städten und Gemeinden, die allen Herausforderungen einer Flüchtlingsaufnahme gerecht werden.

Die Aufnahme von Geflüchteten muss, auch angesichts der weltweiten Entwicklungen wieder zur Normalität werden. Ein funktionierendes Asylrecht trägt zu Konfliktlösungen bei. Dabei muss vielfältiges solidarisches Handeln der Bevölkerung möglich sein. Den Betroffenen muss ihre Selbstbestimmung und damit ihre Grund- und Menschenrechte gewährt werden. Außerhalb des Asylverfahrens müssen wieder mehr Aufenthaltsmöglichkeiten geschaffen werden.

Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung

08.05.2020

10 Schreiben Ministerium für Soziales und Integration vom 15.04.2020