Leben hinter Gittern? Unhaltbare Entwicklung in Freiburger Flüchtlingswohnheimen

Die Unterbringung von Flüchtlingen in Freiburger Wohnheimen gleicht sich derzeit in besorgniserregender Weise an den Stil der Erstaufnahmestellen an. Dies ist in Bezug auf die vorgeblichen „Sicherheitsmaßnahmen“ zu  beobachten, die sowohl in architektonischer Form (Metallzäune) als auch im verstärkten Einsatz von Sicherheitsdiensten verschärft werden.

Öffentlich diskutiert wurde der neue Zaun um das Wohnheim Bissierstraße, der PassantInnen den Durchgang versperrt. Es gibt Eingangskontrollen; der Eintritt ist nur mit BewohnerInnen-Ausweis ohne weiteres möglich, der vom Personal der Sicherheitsfirma CDS kontrolliert wird.
BesucherInnen müssen angeben, wen sie besuchen, ihre Personalien werden kontrolliert und die Besuchszeit notiert. Auch in den anderen seit langem bestehenden Wohnheimen sind die Securities nun präsenter. In mehreren Wohnheimen reißen Sicherheitsleute abends unangekündigt  Zimmertüren zu den privaten Räumen der BewohnerInnen auf und schauen  hinein. Zugänge zu den Wohnheimgeländen werden zunehmend geschlossen; Entwicklungen wie in der Bissierstraße sind zu befürchten. In neu errichteten Unterkünften scheinen Sicherheitsdienste samt  Zugangskontrollen bereits zum Standard zu gehören. Extrem zeigte sich  die Situation im städtischen „Überlaufbecken“ am Mundenhof, das als Zelt  in einer abgelegenen Gegegend bereits einen abschreckenden Charakter besitzt. Es ist zudem komplett von einem Zaun umgeben, die BewohnerInnen  werden von einer Security abgeschirmt.

Angeblich geht es an allen Standorten um die Sicherheit der  BewohnerInnen dieser Unterkünfte. Sie wurden allerdings mutmaßlich überhaupt nicht gefragt, ob sie selbst das Bedürfnis nach solchen Sicherheitsmaßnahmen haben, sicher jedenfalls nicht auf repräsentative Weise. Die Bemerkungen vonseiten der Stadt, dass z.B. mehrfach  auswärtige Flüchtlinge in der Bissierstraße übernachtet hätten, lässt darauf schließen, dass noch andere Motive ausschlaggebend waren.

In der Wirkung überwiegen auf jeden Fall die Nachteile für die BewohnerInnen: Sie sind in ihrer spontanen Bewegungsfreiheit eingeschränkt, bis auf einen schmalen, kontrollierten Ausgang  eingeschlossen auf dem Gelände ihrer unwirtlichen Unterkunft – und gleichzeitig ausgeschlossen von ihrem Umfeld. Spontane Begegnungen werden unmöglich. So überhaupt Wohngegenden in der Nähe sind, können interessierte AnwohnerInnen nicht mehr einfach den Hof eines Wohnheims  besuchen und ihre neuen oder älteren Nachbarn kennenlernen. Sie müssen  vielmehr erst außerhalb so feste Kontakte knüpfen, dass sie dem Sicherheitspersonal dann einen konkreten Namen nennen können. „Die junge Frau, der ich neulich im Supermarkt versprochen habe, ihr Kinderschuhe  vorbeizubringen“ reicht dann nicht aus. Solche Bekanntschaften waren früher in Freiburg verbreitet. Nun wird die Isolation wachsen. Wo Besuch angemeldet ist, wird somit über privateste Kontakte Buch geführt. Wie oft hat der neue Freund einer jugendlichen Heimbewohnerin das Wohnheim allzu spät verlassen? Der Sicherheitsdienst hat es schwarz auf weiß.
Schließlich wird die öffentliche Kontrolle der Zustände in den  Unterkünften behindert. Nicht zuletzt die Rasthaus-Gruppen weisen seit  vielen Jahren immer wieder darauf hin, wenn in der ohnehin abzulehnenden Unterbringungsform der Wohnheime besondere Missstände auftauchen, seien es verrottete Duschen oder Schikanen durch Hausmeister. Wo Besuch nur noch kontrolliert eintreten darf, können unerwartete und/oder besonders  kritische Blicke Dritter ausgeschlossen werden.

Wir halten solche präventiven „Sicherheitsmaßnahmen“ daher für unnötig und schädlich. (Anders als in der BZ irrtümlich berichtet, lehnen wir auch eine verstärkte Polizeipräsenz an Flüchtlingsunterkünften ab.) Mehr als die Geflüchteten zu schützen, tragen sie zu deren Isolation bei, verletzen ihr Recht auf Bewegungsfreiheit und Privatsphäre und bewirken  in ihrer Außenwirkung eine unbegründete Kriminalisierung der  Flüchtlinge, die nun buchstäblich hinter Gittern leben.

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