Wer nicht ertrinkt, wird eingesperrt – Was tun gegen die geplanten Verschärfungen?

Der Bundestag wird am 2. Juli 2015 über ein neues Gesetz abstimmen, das den Namen „Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ trägt.

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Es handelt sich hierbei um ein Gesetzespaket, welches massive Verschärfungen enthält, schön verpackt mit kleinen Verbesserungen im Bleiberecht, von denen aber nur wenige Geflüchtete profitieren. In vielen Medien heißt es zuversichtlich, dass dieses Gesetz zu schnelleren Asylverfahren führen würde. Für die meisten Geflüchteten bedeutet dieses jedoch Lagerunterbringung, schnelle pauschalisierende Asylverfahren und am Ende die Abschiebung.

Es handelt sich um eine der härtesten Verschärfungen im Asylrecht seit 1993! Der Niedersächsische Flüchtlingsrat warnt zurecht: „Es steht zu befürchten, dass es bei einer Verabschiedung zu zahlreichen Fällen rechtswidriger Haftanordnungen kommen wird.“

Haftgründe nach dem geplanten Gesetz:

  • Zahlungen an einen Schlepper, Unterdrücken von Reisedokumenten oder falsche Angaben zur Identität
    • Dies sind typische, aus der Not geborene Mittel, um überhaupt eine Chance zu haben, nach Deutschland einzureisen und um Asyl zu bitten. Die europäische Asylgesetzgebung macht legale Einreisewege unmöglich und kriminalisiert gleichzeitig diejenigen, die es unter Einsatz ihres Lebens hierher geschafft haben!
  • Verlassen eines EU-Mitgliedstaat vor Abschluss eines dort laufenden Asylverfahrens
    • Die Mehrheit der Asylsuchenden, sogenannte „Dublin‐III‐Fälle“, können so in Haft genommen werden. Kommen die Geflüchteten beispielsweise in Italien an, reisen aber zu ihren Verwandten nach Deutschland weiter, würde ihnen künftig hier die Inhaftierung drohen – eine inakzeptable Vorstellung!
  • „Wenn der Ausländer ein Verhalten gezeigt hat, das erwarten lässt, dass er die Abschiebung erschweren oder vereiteln wird, indem er fortgesetzt seine gesetzliche Mitwirkungspflicht verletzt hat oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat.“
    • Dies stellt eine generalklauselartige Ermächtigung dar, die zentralen rechtsstaatlichen Prinzipien widerspricht! Jeder kleine Verdacht auf eine Vorbereitungshandlung, um eine Abschiebung zu verhindern, z. B. der Kontakt zu Flüchtlingsinitiativen, kann bereits Grund genug zur Inhaftierung sein.

Der UNHCR schlussfolgert daher richtig, “[…] dass eine so weite Auslegung der erheblichen Fluchtgefahr zu einer weitreichenden und systematischen Inhaftierung von Asylsuchenden führen könnte, da ein Großteil der Asylsuchenden in der Praxis eine oder mehrere der in dem Entwurf genannten Kriterien erfüllen dürfte.“

Weitere Verschärfungen im Einreise- und Aufenthaltsverbot:

  • Ein abgelehntes Asylverfahren soll direktes Einreise- und Aufenthaltsverbot zur Folge haben
    • Bezog sich dieses Aufenthaltsverbot vormals auf Menschen, die ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wurden, führt jetzt bereits ein abgelehnter Antrag dazu.
  • Das Einreise- und Aufenthaltsverbot trifft vor allem diejenigen, deren  Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurde.
    • Asylsuchende aus den zu Unrecht erklärten „sicheren Herkunftsstaaten“ werden so noch schärfer diskriminiert als bislang. Die Tatsache, dass Menschenrechtsverletzungen und massive Diskriminierungen insbesondere gegen Roma in Ländern wie Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina stattfinden, wird nicht ausreichend berücksichtigt!
  •  Der aktuelle Gesetzentwurf sieht vor, dass unbegleitete Minderjährige kaum Chancen auf ein Bleiberecht haben. Hintergrund dafür sind Altersfristen und Mindestaufenthaltszeiten: Wenn unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach ihrem 17. Geburtstag einreisen, können sie nicht von der Bleiberechtsregelung für Heranwachsende profitieren. Denn die sieht vor, dass man bei Vollendung des 21. Lebensjahrs einen vierjährigen Aufenthalt und Schulbesuch in Deutschland vorweisen kann.
  • Ein Ausweisungsinteresse besteht dem Gesetzentwurf nach nicht nur bei Straftaten, sondern auch bei einem Verhalten, die die „freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik“ oder die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ gefährdet. Sie könnten in ihrer Konsequenz aber auch ein politisches Betätigungsverbot für Asylbewerber*innen suggerieren. Schon die Teilnahme an Demos, Flüchtlingscamps oder Hungerstreiks kann zukünftig ein erhebliches Ausweisungsinteresse begründen.

Die Ausweitung der Befugnisse zur Identitätsklärung:

  • Viele Geflüchtete widersetzen sich ihrer Abschiebung dadurch, dass sie ihre Identität verbergen. In diesen Fällen dürfen die Behörden nach dem geplanten Gesetz Speichersticks und Mobiltelefone durchsuchen, um die Identität zu ermitteln. Gegen den Willen der Betroffenen darf von Telekommunikationsdienstleistern Auskunft über Daten verlangt werden (§ 113 Absatz 1 Satz 2 des Telekommunikationsgesetzes).

Was tun gegen die geplanten Verschärfungen?

Beteiligen Sie sich an den Aktionen unter http://stopasyllaw.blogsport.eu/
Mailen, faxen oder schreiben Sie Briefe an Bundestagsabgeordnete, um sie dazu aufzufordern, gegen die anstehende Asylrechtsverschärfung zu stimmen!
Eine Vorlage, weitere Informationen und die Kontaktdaten der baden-württembergischen Bundestagsabgeordneten finden Sie auf der Homepage des Freiburger Forums:

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