Abschiebung von Familie Ametovic – Kundgebung und Protest bei Neujahrsempfang der Grünen

Am „Tag x+1“ nach der Abschiebung der Familie Ametovic haben ca. 400 Menschen gegen die derzeitige Migrationspolitik protestiert. An eine Kundgebung um 18 Uhr auf dem Rathausplatz schloss sich ein kurzer Demonstrationszug und ein spontaner Protest beim Neujahrsempfang der Grünen an.

Die Familie war am frühen Morgen des 20. Januar unerwartet von der Polizei aus ihrer Wohnung in einem Freiburger Flüchtlingswohnheim geholt und zum Baden-Airpark gebracht worden. Interventionsversuche des Freiburger Forums wie auch von Landespolitiker_innen blieben erfolglos:

Die Familie wurde noch am selben Tag nach Belgrad abgeschoben. Bei einer anderen Familie aus Freiburg konnten noch Rechtsmittel eingelegt werden. Mit dem Charterflug wurden insgesamt 140 Personen aus verschiedenen Bundesländern nach Serbien und Mazedonien abgeschoben wurden, darunter 56 aus Baden-Württemberg.

Am Schicksal der Familie Ametovic zeigt sich besonders eindrücklich, dass Serbien für Angehörige von Roma-Minderheiten durchaus kein „sicheres Herkunftsland“ ist. Die Kinder ebenso wie ihre Mutter kamen mit schweren gesundheitlichen Schäden nach Deutschland, die durch ihre Lebenssituation in Serbien hervorgerufen worden waren bzw. dort nicht geheilt werden konnten. In Freiburg waren die Kinder intensiver betreut worden und hatten sich schon merklich erholt — eine Entwicklung, die durch die Abschiebung wieder zunichte gemacht wurde. Die Familie hatte in dem Elendsviertel „Roter Stern“ in der Stadt Niš gelebt, wohin sie nun wahrscheinlich wieder zurückkehren muss. In dieser Siedlung gibt es weder Strom, noch ist eine ausreichende Heizung, Hygiene, medizinische Versorgung und Ernährung sichergestellt. Familie Ametovic hatte zum Zeitpunkt ihrer Abschiebung nur sehr wenig Geld bei sich, wird also annähernd mittellos ankommen.

Gegen die Abschiebung der Familie läuft derzeit noch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Freiburg. Ein solches Verfahren bedeutet allerdings leider keinen Schutz vor Abschiebung. Tatsächlich hatte auch kaum jemand damit gerechnet, dass die baden-württembergische Landesregierung den ganzen Winter über Abschiebungen durchsetzen würde. So war z.B. auch der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg davon ausgegangen, dass Innenminister Gall bis Mitte März auf Sammelabschiebungen in den Balkan verzichten wolle. In den letzten Jahren waren die Abschiebungen auf den Westbalkan wenigstens für einige Monate ausgesetzt worden, wenn diese Praxis auch schon im vergangenen Jahr durch viele Ausnahmen konterkariert worden war. Dieses Jahr nun gebot offenbar der politische Opportunismus eine menschenverachtende Linie: Schließlich waren Serbien und Mazedonien neben Bosnien-Herzegowina mit dem Bundesratsbeschluss von September 2014 zu „Sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt worden. Im Winter nicht mehr in diese Staaten abzuschieben, so die zynische Logik, käme einem Zweifel an der „Sicherheit“ dieser Staaten gleich. Die Leidtragenden dieser politischen Kalküle sind einmal mehr die Roma.

Ohne die Stimme des grünen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann wäre damals die nötige Mehrheit für die Einstufung der „Sicheren Herkunftsstaaten“ nicht zustande gekommen. Unter solchen rechtlichen Rahmenbedingungen wird die Hilfe im Einzelfall systematisch erschwert, wenn nicht verunmöglicht, wie die aktuelle Abschiebung zeigt. So ist es völlig unglaubwürdig, wenn der grüne Freiburger OB Dieter Salomon demnächst auf der Anti-Pegida-Demonstration sprechen wird. Gerade die Mitglieder der baden-württembergischen Regierungsparteien, der Grünen und der SPD, sollten sich daher für einen grundsätzlichen Wandel hin zu einer humanen Flüchtlingspolitik einsetzen. Wenn dieser nicht machbar ist, sollten sie sich die ehrliche Frage stellen, was für sie Priorität hat: Die Würde des Menschen oder die Partei.

Um diese Verantwortung anzumahnen, stattete ein großer Teil der Teilnehmer_innen nach der Kundgebung dem Neujahrsempfang der Freiburger Grünen einen Überraschungsbesuch ab, wo in zahlreichen Redebeiträgen und Sprechchören der Unmut über deren Doppelzüngigkeit geäußert wurde.

Denn was es braucht, sind nicht schöne Reden, sondern Taten: Alle Lokal- und Landespolitiker_innen, die behaupten, sich für geflüchtete Menschen einzusetzen, fordern wir dazu auf, Familie Ametovic umgehend wieder herzuholen!

Presse:

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